TOR!

Es ist eine geschichtsträchtige Fußball-Weltmeisterschaft im geteilten Deutschland. Die DDR, die sich 1974 das erste und einzige Mal für eine WM qualifiziert, trifft in der Vorrunde auf den „Klassenfeind“, die Bundesrepublik Deutschland. Zur Überwachung und Kontrolle der angereisten DDR-Fans führt die Staatssicherheit die Aktion Leder durch, mit der Abwerbungsversuche und politische Provokationen gegen die DDR-Fußballer und angereisten Schlachtenbummler⁎innen verhindert werden sollen. Am 22. Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion geschieht das Undenkbare: Im „Kampf der Systeme“ verliert die BRD nach dem Tor von Jürgen Sparwasser 0:1 gegen die DDR. Als Gruppenerster muss die DDR nun gegen Brasilien antreten – bis heute hält sich das Gerücht, die Bundesrepublik hätte verloren, um in der Zwischenrunde Brasilien aus dem Weg zu gehen. Joachim Giesel ist beim Spiel am 26. Juni in Hannover dabei. Seine Farbfotografie zeigt den Kapitän der DDR-Mannschaft, Bernd Bransch, wie er in einer spektakulären Sprungbewegung zum Volleyschuss ansetzt. Hinter ihm eilen Abwehrspieler Siegmar Wätzlich sowie der Brasilianer Valdomiro zum Geschehen. Verstärkt wird die Dramatik durch den Kontrast zwischen scharfen Vorder- und verschwommenen Hintergrund. Der von Giesel fixierte Moment weckt Erinnerungen über den Augenblick hinaus. „Erst Rivelinos Freistoß in der 61. Minute zum 1:0-Siegtreffer der Brasilianer gegen die DDR brachte Musik auch auf den Rasen“, schreibt das Hamburger Abendblatt. Die DDR scheidet aus. Die Bundesrepublik wird Weltmeister.

Katrin Kaiser