Kanzlergalerie

Joachim Giesel, Helmut Schmidt bei dem 12. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall, Düsseldorf, September 1977.

„Internationale Solidarität, gemeinsam für Volksbeschäftigung, Mitbestimmung und soziale Demokratie“. Unter diesem Motto findet im September 1977 der 12. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall statt. Es ist eine Zeit der Krisen. Die Wirtschaft hat infolge der Ölkrise mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen und seit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer am 5. September durch die RAF befindet sich die Bundesrepublik im „Deutschen Herbst”. In seiner Rede spricht sich der 2. IGM-Vorsitzende Hans Mayr für Solidarität und Demokratie aus. Kanzler Helmut Schmidt erklärt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als zwingend, ohne dabei inflatorische Prozesse in Gang zu setzen. Joachim Giesel ist als Bildjournalist vor Ort. Wie seine Kollegen wird er den Kanzler während dessen Rede fotografieren. Doch er sucht nach dem „anderen“ Bild. Im Hochformat und Weitwinkel nimmt er Schmidt auf einem Stuhl in der ersten Reihe auf. Die Beine überschlagen, macht der Kanzler ein paar letzte Notizen in sein Manuskript, das er dem Aktenkoffer vor sich entnommen hat. Die Stühle zu seiner Rechten und Linken sind unbesetzt. Giesel zeigt den obersten Politiker in einem konzentrierten, beinahe einsamen Moment – trotz der Menschenmenge hinter sich. Giesel verstärkt den Kontrast, indem er die Komposition auf den Kanzler ausrichtet. Schmidt gilt aufgrund seines Krisenmanagements bis heute als „Macher“. Doch Giesel zeigt die Kehrseite dieses Amts: Die Verantwortung, in schwierigen Situationen Entscheidungen allein fällen zu müssen.

Konrad Schopplich