Kanzlergalerie

Joachim Giesel, Abschied Konrad Adenauer von der Bundeswehr, Fliegerhorst Wunstorf, 12. Oktober 1963.

Konrad Adenauer steht 1949 bei seinem Amtsantritt als erster Bundeskanzler der Bundesrepublik vor einer großen Herausforderung: Die Einführung und Stabilisierung einer aus einem totalitären System entstandenen Demokratie. Ihm ist bewusst: Um zu überleben, braucht der junge Staat Bündnispartner – angesichts des sich ankündigenden Kalten Krieges auch militärische. Adenauers Politik richtet sich daher gen Westen. Im Mai 1955 tritt die Bundesrepublik dem Nordatlantikpakt bei, sechs Monate später wird die Bundeswehr gegründet. Große Teile der Bevölkerung lehnen die Wiederbewaffnung jedoch ab – noch sind die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg zu präsent. Aber der Kanzler bleibt bei seinem Kurs. Dazu hat Joachim Giesel für sein Porträt eine ungewöhnliche Perspektive gewählt: Er fotografiert den Kanzler von hinten! Von einer Motorradstaffel der Polizei eskortiert, passiert Adenauer stehend in seiner Staatslimousine eine Menschenmenge, die Hand zum Gruß gehoben. Es ist der 12. Oktober 1963 auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover. Die Bundeswehr inszeniert ihre bis dato größte Militärparade. Doch anstatt zu protestieren, jubelt die Menge ihm zu. Anlass ist Adenauers Abschied von der Truppe nach vierzehn Jahren Amtszeit. Giesel zeigt den Kanzler nicht als Erneuerer Deutschlands und Stabilisator Westeuropas, sondern als Befürworter der Wiederbewaffnung und Aufrüstung im Kalten Krieg. Es mag auf den ersten Blick befremden, doch das Porträt erinnert in seiner Bildsprache noch an die Inszenierungen von Adolf Hitler vor Partei und Wehrmacht.

Konrad Schopplich

Zusatzmaterial

Joachim Giesel, Konrad Adenauer neben Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel, Fliegerhorst Wunstorf, 12. Oktober 1963.