Grenzland–Niemandsland

Joachim Giesel, Grenze bei Lochtum (aus der Dokumentation Grenzland–Niemandsland), Landkreis Goslar in Niedersachsen, 1982.

Der Blick geht in die Ferne, wo sich am Horizont der Harz mit seinen dunklen Bergrücken abzeichnet. Vor ihm liegt eine karge Landschaft. Durchschnitten von meterhohen Metallgitterzäunen. Auch ohne die sonst vielerorts aufgestellten Pfeiler und Schilder besteht kein Zweifel: „Hier ist innerdeutsches Grenzgebiet. Betreten verboten!” Zwischen den beiden parallel verlaufenden Zäunen, die bis in die frühen 1980er Jahre mit Selbstschussanlagen des Typs SM 70 gesichert waren, liegt der sogenannte „Todesstreifen“. Die im Inneren der Grenzanlage aufgestellten Laternen machen diesen auch bei Dunkelheit von zwei Grenztürmen einsehbar. Doch weder auf der einen noch auf der anderen Seite des Zaunes sind Anzeichen menschlichen Lebens zu entdecken. Joachim Giesel hat sich für die Aufnahme der Grenze bei Lochtum im Kreis Goslar nur wenige Meter vor dem Grenzstreifen positioniert. Früher waren hier fruchtbare Ackerflächen, welche nun, von der Grenze aufgerissen, unbenutzbar und von der Natur zurückerobert worden sind. Wenig später wird Giesel die Grenzanlage bei Lochtum noch einmal fotografieren und seine Aufnahme in der Juli-Ausgabe 1983 des Sterns veröffentlichen. „Kurz vor der Schmerz-Grenze“ prangt hier in großen Buchstaben auf der ersten Doppelseite. In dieser Fotografie wuchert nun hohes Gras entlang des Grenzzaunes und das trostlose Braun der Landschaft ist einem satten Grün gewichen. Sonst keinerlei Veränderung im Grenz-Land.

Mathilde Blum

Zusatzmaterial