Werbeplakat der Deutschen Bundesbahn, um 1976. (Reproduktion, 2024) (Joachim Giesel Archiv)
Zerbrechlich und wie eine Puppe liegt das Modell Ines Hosenfeld im Stroh, sicher verpackt und bereit zum Transport. Ihr Mund ist leicht geöffnet, das Dekolleté und die rechte Brust sind entblößt – es könnte das Cover des Playboy sein. Es ist aber das Werbeplakat eines Staatskonzerns. „Egal, ob sie uns große oder kleine Stückgüter bringen. Wir fahren alles“, so wirbt die Deutsche Bundesbahn um 1976 damit. In Kombination lesen sich Motiv und Text als Objektifizierung des Modells. Das Plakat reiht sich in die Tradition zahlreicher Reklamen der 1970/80er Jahre mit ähnlichen Bildmotiven und -mustern ein. Es entsteht zu einer Zeit, in welcher alles von Limonade bis Klopapier mit dem nackten weiblichen Körper beworben wird. Sex sells – das weiß auch der Auftragsfotograf Joachim Giesel. Ob das Motiv auf Vorgabe der Deutschen Bundesbahn entstanden ist oder von Giesel frei gestaltet wurde, lässt sich nicht rekonstruieren. Fotografien mit ähnlichem Motiv erscheinen auch in anderen Kontexten, wodurch sich die Wirkung verändert: zum Beispiel als Karikatur der Bahn-Werbung auf dem Cover der April-Ausgabe der Satirezeitschrift Pardon desselben Jahres – in der es unter anderem um die Frage Wie zerbrechlich sind Frauen? und Die Dame im Sozialismus geht – unter der Schlagzeile „Ich hab’s erprobt: Dieses Heft ist eine tolle Kiste!“ Eine weitere Fotografie, die 1978 auf dem Titelbild der Fachmagazins International Photo Technik zu sehen ist, lenkt die Aufmerksamkeit auf Giesels technische Raffinesse.
Lea Weiß