Extravagante Schnitte, knallige Farben und grafische Muster: Das zeichnet die Mode der 1980er Jahre aus. In dieser schillernden Epoche existieren unterschiedlichste Stilrichtungen – von rebellischer Punk-Mode über schrille Aerobic-Anzüge bis hin zu edler Couture aus Kaschmir und Nadelstreif. Die Lockerung von Normen und der Kampf um Gleichberechtigung führen zur Einführung von Unisex-Kleidung und Hosenanzügen für Frauen. Eine von Schulterpolstern geprägte Kleidung verleiht Frauen einen Hauch von maskuliner Ausstrahlung und geht als „Power Dressing“ in die Modegeschichte ein, während junge Männer plötzlich Latzhosen und Strickjacken tragen. In einer Zeit, die von einem elementaren Wandel der Modewelt geprägt ist, entstehen zahlreiche Modehäuser und Versandhändler wie C&A, Bonita und Bonprix, die erschwingliche Kleidung für ein breites Publikum bewerben und anbieten. In Joachim Giesels Mode und Modellfotografien, die sich nicht zuletzt durch arrangierte, ja gleichsam absurde Kulissen auszeichnen, findet sich der modische Zeitgeist der 1980er Jahre wieder. Giesel ist davon überzeugt, dass das Interesse am beworbenen Objekt durch Verwendung außergewöhnlicher Perspektiven oder visueller beziehungsweise inhaltlicher Kontraste erhöht werden kann. Mittels von Kulissen, die oft keinen direkten Bezug zum eigentlichen Motiv aufweisen, lassen sich solche Wirkungen erzielen. Eine Fotografie etwa zeigt ein Modell in einem eleganten Kostüm in der Wüste von Gran Canaria. Große Bedeutung kommt der Vorbereitung zu: „80 Prozent der Arbeit muß ich schon erledigt haben, bevor ich überhaupt die Kamera in die Hand nehme.“ Dazu gehöre das Zusammenstellen der Requisiten und die Auswahl eines passenden Hintergrundes, wofür Giesel ein besonderes Gespür hat. Auf diese Weise verwandelt er etwa banale Kulissen der Stadt Hannover in idyllische Szenerien, die an den „Frühling in Florenz“ erinnern sollen. Es ist eine Herausforderung, sich in der Werbeindustrie zu behaupten, da große Aufträge oft bereits etablierten Namen zufallen. Deshalb legt Giesel Portfolios an, mit denen er sich bei Werbeagenturen vorstellt. Ein Blick in Giesels Gästebuch verrät, dass er mit (inter)nationalen Modellen arbeitet, die zu ihm nach Hannover kommen. Geschickt bewegt er sich zwischen Kunst und Kommerz, indem er sowohl freie Arbeiten für sein Portfolio erstellt als auch Auftragsarbeiten ausführt, die in Modekatalogen und -prospekten veröffentlicht werden, darunter für lokale Modehäuser wie Liebe – Das Haus für Schönheit und Mode, für Herrenausstatter wie Fabius sowie für das Herrenmode-Fachgeschäft Reuker in Hannover. Diese Kataloge bedienen meist einen konservativen Geschmack für Kleidung aus hochwertigen Materialien wie Baumwolle, Leinen oder Seide. Während bei den Herren Anzüge und Wollpullover in gedeckten Farben dominieren, sind bei den Damen häufig Rock- und Blazer-Kombinationen zu sehen.
Laura Zoë Rosenthal