Joachim Giesel, Hochhaussiedlung am Canarisweg I (aus der Dokumentation Vorstädte), Hannover, 1979-1980.
Auf dem Spielplatz ist es einsam und still. Es gibt weder eine Schaukel noch eine Rutsche. Lediglich ein verlassenes Klettergerüst wartet darauf, genutzt zu werden. Leere Bänke fassen den Platz und verweisen auf die Abwesenheit der Eltern. Vor allem aber fehlen Kinder. Hinter dem Spielplatz erheben sich als triste Kulisse die eintönigen Fassaden eines Wohnblocks. Joachim Giesel zeigt die Hochhaussiedlung am Canarisweg in Hannover Mühlenberg ohne einen einzigen Menschen – und das, obwohl die Siedlung Wohnraum für fast 1.700 Personen bietet. In seiner Diplomarbeit Vorstädte erklärt der Fotograf: „Ich habe bewusst den Menschen in meinen Bildern weggelassen, sodass der Blick konzentriert werden kann auf das rein Bauliche, die Fassaden. Oder auf die geringen Beweise menschlichen Daseins, wie Auto, Bank, Mülltonne oder Campingwagen”. Und so gibt es am unteren linken Bildrand nur einen unscheinbaren Hinweis auf das menschliche Sein. Dort hat Giesel gleichsam einer Signatur seinen eigenen Schatten festgehalten. Es ist der Beweis für die Präsenz und Augenzeugenschaft des Fotografen, der seine Arbeit als eine Möglichkeit versteht, die gesellschaftliche Realität fotografisch zu dokumentieren und interpretieren. Um sich als kritischer Autor und Künstler auszuweisen, hat er diese Aufnahme vom Canarisweg für das Titelblatt seiner Diplomarbeit Vorstädte gewählt.
Jule Lang