Joachim Giesel war 20 Jahre lang am Niedersächsischen Staatstheater als Bühnenfotograf für Oper, Theater und Ballett tätig. Aufgrund seiner Begeisterung für das Ballett schuf Giesel über den Rahmen der Festanstellung hinaus eigenständige Porträts von Tänzerinnen und Tänzern. „Faszination packt mich, wenn ich bei den Ballett-Proben fotografiere. […] Mich beeindruckt ihre Disziplin, die harte, körperliche Trainingsarbeit und die Harmonie von Solisten mit der Gruppe“ (Giesel 1989, S. 2). Zwischen 1988 und 1989 entstanden über 50 Aufnahmen, von der eine Auswahl in der Publikation Tänzer-Portraits mündete. Bei der gleichnamigen Ausstellung im Theatermuseum Hannover wurden die Arbeiten erstmals gezeigt. Giesels Intention dieser Arbeit war es, die „Unterschiede, die auf der Bühne für die Besuchenden nicht sichtbar sein dürfen, in Form von Selbstdarstellungen der Tänzerinnen und Tänzer aufzuzeigen“ (Giesel 1989, S. 2). In seinen Tänzer-Portraits erscheinen die selbstbewussten Hochleistungssportlerinnen und -sportler mit viel Gefühl und intensivem Ausdruck.
In Joachim Giesels Studio wurde eine Ballettstange aufgestellt und die Tänzerinnen und Tänzer vor einer einfachen Plane im Hintergrund positioniert. Dabei nutzte der Fotograf eine Hasselblad und eine Plaubel Studiokamera. Giesel kreierte mit einem selbstangesetzten Entwickler, Schwamm und einer Spülbürste eine besondere Wischtechnik an den Rändern, welche die Bewegungen des Tanzes aufgreift.
Die langzeitbelichteten Fotografien von Sonia Santiago halten die sich überlagernden Tanzbewegungen in einer rauschhaften Momentaufnahme fest.
Probe + Konzert im Jahr 1970 war Giesels erste Einzelausstellung. Die Galerie Pub zeigte 1973 die Einzelausstellung Intermezzo, bei der Giesel die Kontraste zwischen einem Kampfsportler und einer Tänzerin ästhetisch in Szene setzte. Bei der Triennale Le théâtre dans l’art photographie 1983 in Novi Sad (Serbien) gewann er mit Fundus, also mit Aufnahmen aus den Requisiten- und Bühnenlagern der Oper, den ersten Preis. Im Jahr 1992 wurde Giesel mit der Fotografie des Pantomime-Künstlers Jean Soubeyran (1921-2000) Europäischer Porträtfotograf des Jahres und gewann den Kodak-European-Gold-Award. 1997 hatte Giesel die Ehre, den weltweit vertriebenen Ilford Kalender mit einer Auflage von 100.000 Stück zu gestalten. Auf den 12 Kalenderblättern sind weibliche Ballerinen in verschiedenen Posen und Interieurs abgelichtet. Giesel begab sich in prominente Gesellschaft: Vier Jahre zuvor war es Peter Lindbergh, den Ilford für ihren Kalender auswählte.
Seit 2006 befinden sich vier Werke der Serie Tänzer-Portraits in der Sammlung des Sprengel Museums in Hannover.