Seit 1966 arbeitete Joachim Giesel als selbstständiger Fotograf mit den Schwerpunkten Bildjournalismus, Mode- und Werbefotografie. So entstanden in über fünfzigjähriger Tätigkeit eine Sammlung vielfältiger, aufwendiger kommerzieller Aufnahmen u. a. in Kooperation mit Firmen wie Erdmann, Rossmann, Pelikan, Sunozon oder Telefunken mit Fußballlegende Gerd Müller (1945-2021).
Für seine Werbe- und Modeaufnahmen inszenierte Giesel auch immer wieder Szenarien, die in ihrer dramatischen Bildgestaltung an Filmstills aus Leinwandklassikern erinnern.
Von einer frontalen Lichtquelle illuminiert, räkelt sich eine Frau in lasziver Pose auf einer Kalbfelldecke. Im dunklen Hintergrund leuchten gestaffelt die runden Scheinwerfer einer Fluglandebahn. Währenddessen zeichnet sich vor dem Glutorange des Abendhimmels die schwarze Silhouette einer startenden Maschine ab. Giesel gelingt durch die Einteilung der quadratischen Aufnahme in drei Lichtzonen eine spannungsvolle Atmosphäre. Das Fernweh, das beim Anblick der Fotografie erweckt wird, könnte fast vergessen lassen, dass es sich bei der Aufnahme um eine Werbeaufnahme für Felldecken handelt.
Eine andere Fotografie fängt einen Moment ein, der unweigerlich Assoziationen an Hollywoodgrößen der 1960er und 1970er Jahre evoziert. Durch die verregnete Glasscheibe eines Autofensters blickt eine Frau mit schwarzem Hut und farblich passendem Make-up. Sie stützt das Kinn leicht auf die beringte Hand, zwischen deren Fingern sie einen glimmenden Zigarettenstängel hält. An ihrem Handgelenk schimmert das passende Armband. Die in Blautönen gehaltene Aufnahme ist farblich auf den beworbenen Schmuck abgestimmt. Beim Betrachten denken wir an Audrey Hepburn, die in der berühmten Filmszene in Frühstück bei Tiffanys im Inneren eines Wagens raucht, während es in New York’s Straßen regnet, oder Romy Schneider auf dem Filmcover von Der Swimmingpool.
Dass Giesels Mode- und Werbefotografien bereits zu Entstehungszeiten international Beachtung fanden, zeigt eine Arbeit, die das Titelcover des Photography Year Book von 1976 zierte. In einem mysteriösen, halb geöffneten Pappkarton kommt zwischen der Füllwolle ein maskenhaftes, surreales Frauengesicht mit geschlossenen Augen zum Vorschein.