Aenne Biermann, Gummibaum, um 1927, Sammlung Edith Krimmel, in: Ute Eskildsen & Museum Folkwang (Hg.): Aenne Biermann. Fotografien 1925–1933 (Ausstellungskatalog, Museum Folkwang Essen, 18. Oktober–6. Dezember 1987) Berlin 1987, S. 88. (Joachim Giesel Archiv)
Im Jahr 1939 werden zwei Container vom thüringischen Gera nach Palästina verschickt. In ihnen befindet sich der Nachlass der jüdischen Fotografin Aenne Biermann. Es ist der Versuch ihrer Familie, das Archiv der Künstlerin zu retten, die als eine Vertreterin der Avantgarde gilt. Doch das Vorhaben scheitert, der Inhalt der Container wird 1944 in Triest von NS-Behörden beschlagnahmt und gilt bis heute als verschollen. Auch wenn Biermann durch ihren frühen Tod die Verfolgung durch die Nazis nicht miterleben wird, hinterlässt die Zeit des Nationalsozialismus Spuren in der Rezeption ihres Werkes, das lange in Vergessenheit geriet. Erst Jahre später erfährt ihr Œuvre seine wissenschaftliche Aufarbeitung. Der Kuratorin am Museum Folkwang Essen, Ute Eskildsen, ist es zu verdanken, dass 1987 eine Retrospektive Biermanns zu sehen ist. Die Zusammenarbeit zwischen Eskildsen und der spectrum Photogalerie ermöglicht die Übernahme einiger Werke für eine Ausstellung in Hannover. Diese zeigt Biermanns Blick auf alltägliche Szenen, Pflanzen und Lebensmittel, fokussieren Struktur und Materialität der abgebildeten Objekte im Stil des Neuen Sehens. In seiner Eröffnungsrede hebt Joachim Giesel auf die Kontinuität zwischen historischer und zeitgenössischer Fotografie ab: „Heute, 55 Jahre nach dem Tod der Fotografin A. B. kann man […] feststellen, daß die Bildvorlagen, die Art zu sehen und zu photographieren, in Werbung und freier Photographie sich sehr zurückzubesinnen scheint auf die 20iger, 30iger Jahre“.
Mathilde Blum