Joachim Giesel, Porträt Inge Meysel, Wien, 1992.
Inge Meysel ist eine der beliebtesten und renommiertesten deutschen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. In der Fernsehserie Die Unverbesserlichen, von der in den 1960/70er Jahren jährlich eine Episode zum Muttertag ausgestrahlt wird, spielt sie die Hausfrau Käthe Scholz. Mit dieser Rolle wird sie zu einer Symbolfigur für die deutsche Hausfrau und Mutter, die als weibliches Familienoberhaupt ihr Leben in die Hand nimmt. Mit dieser und weiteren Rollen macht Meysel sich einen Namen in einer Zeit, in der die Emanzipation noch nicht weit verbreitet ist. Giesel trifft sie im März 1992 in Wien, wo Meysel im ORF-Seniorenclub zu Gast ist und ihre Autobiografie Frei heraus – mein Leben (1991) vorstellt. Anstatt das Image der „Mutter der Nation“ zu bedienen und Meysel in der Küche oder als Hausfrau darzustellen, fotografiert er die Filmikone Backstage: Meysel, ein Sektglas in der Hand, lehnt an einer technischen Apparatur am Set. Im Hintergrund stehen weitere Geräte, Scheinwerfer und Spiegel. Sie ist elegant gekleidet. Unter einer Strickjacke mit Herz-Aufnähern trägt sie eine gelbe Bluse. Ein roter Hut mit Schleife – ihr Markenzeichen. „Eine Frau ohne Hut ist nicht angezogen.“ Als Tochter eines jüdischen Tabakhändlers erhält sie während der NS-Zeit Auftrittsverbot. Nach 1945 kann sie als Schauspielerin arbeiten. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ist Meysel bereits 82 Jahre alt und steht noch immer vor der Kamera, gibt Interviews, tritt in Talkshows auf. Anlässlich ihres Todes 2004 wird ihr Lebenswerk breit gewürdigt.
Zoe Jarmila Warmbrunn