Joachim Giesel: Die Ausbildung zum Fotografen von morgen – müssen wir umdenken?, in: ProfiFOTO, Heft 3, 1979, S. 62–65.
1978 bringt der Kamerahersteller Canon den ersten Fotoapparat mit Programmautomatik auf den Markt. Blende, Verschlusszeit, Fokus und ISO-Werte können nunmehr automatisch vom Gerät erkannt und eingestellt werden. Diese technische Revolution eröffnet auch Amateuren ohne berufliche Fotografenausbildung neue Möglichkeiten, da es kaum Vorwissens bedarf, um das Arbeitswerkzeug zu bedienen. Joachim Giesel möchte die Ausbildung auf den technologischen Fortschritt vorbereiten, weshalb er im selben Jahr das Amt des Vorsitzenden des Centralverband Deutscher Berufsfotografen übernimmt und sich für Reformen einsetzt. In dem Zusammenhang veröffentlicht er mehrere Texte für Fachzeitschriften und -publikationen. So formuliert er in dem Beitrag Die Ausbildung zum Fotografen von morgen – müssen wir umdenken? (1979) für die Zeitschrift ProfiFoto: „Die Beherrschung der Technik ist unserem Beruf die Basis. Doch […] ohne die Fähigkeit, das Sehen und das Denken vor dem Druck auf den Auslöser zu trainieren, wird der Fotograf von morgen an seiner Zeit vorbeileben“. Giesel erkennt frühzeitig die Risiken einer veralteten Lehrauffassung, Fotografie nur als „physikalisch-chemische[n] Prozeß“ zu lehren. Seine Bemühungen zielen darauf ab, Fotograf⁎innen auszubilden, die sich aufgrund ihrer technischen Kompetenz und fotografischen Qualität auf dem Markt durchsetzen können. Doch nach sechs Jahren zieht er resigniert Bilanz: „interne [Streitigkeiten] und zu traditionelles Denken“ würden den Reformprozess blockieren.
Adrian-Rezan Öner