Grenzland–Niemandsland

Joachim Giesel, Grenze bei Lübeck (aus der Dokumentation Grenzland–Niemandsland), Lübeck in Schleswig-Holstein, 1984.

Es liegt Schnee. Kahle Bäume rahmen eine geschlossene Verkehrsschranke. „Halt! Hier Grenze“. Hier in Eichholz, nahe Lübeck, beginnt die deutsch-deutsche Grenze. Im Schnee sind die Spuren eines Autos zu erkennen – bis zur Absperrung und nicht weiter. Hinter ihr sind im Hintergrund die Grenzanlagen sowie ein Grenzturm auszumachen. Dort beginnt der sogenannte „Todesstreifen“. Doch dann fällt ein Schild am rechten Straßenrand ins Auge: „Auch drüben ist Deutschland“ ist dort mit weißer Schrift auf dem Grund einer westdeutschen Deutschlandflagge geschrieben. Schilder wie dieses sind an verschiedenen Grenzübergängen des geteilten Deutschlands aufgestellt – eine Aktion des Kuratorium Unteilbares Deutschland, um „alles für die Überwindung der Teilung zu tun und die politische Situation nicht als unabänderbar zu akzeptieren“. Dass „drüben“ tatsächlich auch Deutschland ist, ist angesichts der graugrauen Winterlandschaft nur schwer zu glauben. Der Grenzgänger Joachim Giesel zeigt das Zonenrandgebiet als trostloses Niemandsland, in dem nur ein Schild uns erinnert und zum Handeln mahnt. Der Fotograf Jürgen Ritter hat ähnlich wie Giesel die deutsch-deutsche Grenze in circa 10.000 Aufnahmen dokumentiert, die er den Opfern des SED/DDR-Grenzregimes gewidmet hat. Darunter befindet sich eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die der Giesels gleicht – allerdings sind hinter der Grenzschranke zwei bewaffnete Grenzsoldaten auszumachen, welche den Fotografen genau beobachten.

Lea Weiß

Zusatzmaterial

Jürgen Ritter, Auch drüben ist Deutschland, Lübeck, 1982