Joachim Giesel, Porträt Jean Soubeyran (aus der Serie Photo-Portraits aus Hannover), Hannover, 1990.
Den französischen Pantomimen, Schauspieler, Regisseur und Choreographen Jean Soubeyran (1921–2000) zeichnen eine höchst präzise Körpersprache, das innovative Spiel mit Requisiten sowie die Fähigkeit aus, Geschichten ohne Worte zu erzählen. Seine Inszenierungen, Auftritte und sein Selbstverständnis, das er in seinem Buch Die wortlose Sprache (1963) formuliert, prägt auch die Pantomime-Kunst in Ost- und Westdeutschland. 1957 kommt er nach Ostberlin, um mit Berthold Brecht zusammenzuarbeiten. Nach dem Mauerbau geht er in die Bundesrepublik, um zunächst am Neuen Theater Hannover tätig zu sein. Im Rahmen der Publikation Photo-Portraits aus Hannover (1990) entsteht Joachim Giesels Fotografie – eine raffinierte Komposition, die zwei Bildräume diagonal miteinander verbindet. Den Hintergrund nehmen Tänzer⁎innen ein, deren Bewegung aufgrund der Langzeitbelichtung nur verschwommen auszumachen ist. Im Kontrast dazu dominiert der schwarz gekleidete Soubeyran den gestochen scharfen Vordergrund. Licht und Fokus liegen auf seinen wichtigsten Werkzeugen: den Händen und dem im Goldenen Schnitt liegenden Gesicht. Als Giesel die Fotografie 1992 beim KODAK European Gold Award einreicht, wird er als KODAK European Portrait Photographer ausgezeichnet. „Die Verwendung eines zweiten, sich in Bewegung befindlichen Elements neben dem eigentlichen Porträt verleiht der Aufnahme eine ungeheure Kraft“, erklärt Jurymitglied Brian Glover-Smith. Die Choreografie des Regisseurs und die Komposition des Fotografen begegnen sich hier im intermedialen Dialog.
Emilia Pfeiffer