Bildjournalismus

Joachim Giesel, Überführung des Leichnams von Benno Ohnesorg, Helmstedt, 8. Juni 1967.

Es ist der Abend des 8. Juni 1967 am innerdeutschen Grenzübergang bei Helmstedt. Unter geöffneter Schranke steht ein schwarzer Bestattungswagen, der vordere Teil bereits auf Staatsgebiet der Bundesrepublik. Um den Wagen herum findet ein hektisches Treiben von Grenztruppen beider deutscher Staaten sowie Journalist⁎innen der (inter)nationalen Presse statt. Auch Joachim Giesel ist anwesend. In dem zum Leichenwagen umgebauten Cadillac Sedan DeVille, in dem 25 Jahre später auch Marlene Dietrichs Leichnam transportiert werden soll, liegt Benno Ohnesorg. Der Student ist am 2. Juni auf einem Gegenprotest anlässlich des Besuchs des persischen Schahs in West-Berlin von einem Polizisten erschossen worden. Sein Tod gilt als Initialereignis der 68er-Bewegung in Westdeutschland. Die Überführung des Leichnams in seine Heimatstadt Hannover am 8. Juni durch die DDR stellt ein besonderes Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte dar. Erstmals verzichtet die DDR auf jegliche Grenzkontrollen, auch der Presse ist es gestattet, sich frei zwischen beiden Staatsgebieten zu bewegen – ein einzigartiger Vorgang. 15.000 Trauernde geleiten den Zug zur Grenze. Tausende FDJler⁎innen stehen Spalier und erweisen dem, wie sie ihn nennen, „Opfer des Polizeiterrors“ die letzte Ehre. 200 Wagen mit Trauernden aus Berlin begleiten den Leichnam nach Hannover. Auf einem sich im Hintergrund erhebenden DDR-Grenzturm sind die Silhouetten von etwa zehn Wachen auszumachen, die ihrerseits das historische Momentum durch ihre Objektive beobachten.

Jonathan Fulda

Zusatzmaterial