Ob August Sander, Robert Capa oder Barbara Klemm. Die Ausstellungshistorie der spectrum Photogalerie in Hannover liest sich wie das Who’s Who der Fotografiegeschichte. Als ihr Mitgründer schreibt Joachim Giesel gemeinsam mit seinen Fotografenkollegen Heinrich Riebesehl und Peter Gauditz 1972 mit der Eröffnung einer der ersten Fotogalerien Europas überhaupt Geschichte. Bis 1991 präsentiert die spectrum Photogalerie 88 Ausstellungen. Giesels Engagement für die Fotografie offenbart sich hier in seinem Selbstverständnis als Vermittler, Kurator und Lobbyist der Fotografie. Während diese Anfang der 1970er Jahre in Presse und Werbung längst unentbehrlich ist, genießt sie als künstlerisches Medium noch immer wenig Anerkennung. Auf der documenta 5 (1972) wird sie in Kassel erstmals als eigenständige Kunstform präsentiert, doch auch dort sind die Reaktionen ambivalent. Mit Blick auf diese fehlende gesellschaftliche und institutionelle Akzeptanz gründen die drei Genannten im Dezember 1971 mit anderen, unter ihnen die Fotografin Karin Blüher und der Regisseur Wolfgang Borges, zunächst die Gesellschaft zur Förderung der Photographie, deren Ziel es ist, „einer breiten Öffentlichkeit in Hannover historische und zeitgenössische Tendenzen der Photographie näher zu bringen“. Vier Monate später folgt mit einer Retrospektive zu Hein Gorny die Eröffnung der spectrum Photogalerie. Öffentliche Fördergelder ermöglichen es den jungen Galerist*innen, parallel zu ihrer Haupttätigkeit als Fotograf*innen und unabhängig vom kommerziellen Erfolg, durch den Verkauf von Exponaten, ihre Ausstellungen zu realisieren. Mit der Errichtung eines Netzwerkes, welches über die Landesgrenzen hinaus Verbindungen zu Museen, Galerien und Ateliers in ganz Europa aufweist, leisten sie Pionierarbeit. Diese Kontakte sind Grundlage für Ausstellungen von Man Ray über Henri Cartier-Bresson bis hin zur ostdeutschen Fotografin Gundula Schulze. Mit ihrem breiten Programm macht die Galerie ihrem Namen alle Ehre – es vereint regionale wie internationale, historische wie zeitgenössische Positionen. Ihre Ausstellungstätigkeit trägt maßgeblich zur Akzeptanz der Fotografie als Kunstform in Deutschland bei, eröffnet den spectrum Photogalerie-Gründer*innen 1979 den Umzug ins neu erbaute Sprengel Museum Hannover und damit die Integration der Fotografie im musealen Raum. Gauditz, Giesel und Riebesehl bleiben dort bis 1991 als Kuratoren tätig, bis sie ihr Ziel der Institutionalisierung der Fotografie mit der Einrichtung einer eigenen fotografischen Abteilung als erfüllt sehen. Die Leitung übernimmt Thomas Weski, der als Auszubildender Giesels Einblick ins Schaffen der Galeristen erhielt. Ulrike Schneider hebt hervor: „Dass das Sprengel Museum Hannover heute zu den wenigen deutschen Kunstmuseen zählt, die Fotografien kontinuierlich als eigenständige Kunstform präsentieren, ist dabei ganz wesentlich dem Engagement von Peter Gauditz, Joachim Giesel, Heinrich Riebesehl sowie den zahlreichen weiteren Mitarbeitern der Spectrum Photogalerie zu verdanken“.
Mathilde Blum