Gladiatoren

Im Jahr 1974 fand der Welt-Cup im Catch in Hannover statt. Joachim Giesel, ein echter Sportfanatiker, begleitete das Event intensiv mit der Kamera. Die Fotografien der Kämpfe heben sich durch innovative Perspektiven von anderen, rein dokumentarischen oder journalistischen Sportfotografien ab. Der Autor Lorenz Hafner attestierte Giesel damals den Blick eines Catch-Liebhabers:

„Catch-Geschehen kann nur so eindrucksvoll im Bild festhalten, wer sich, wie der hannoversche Photograph Joachim Giesel, in die atemberaubende Welt des Catch eingelebt hat. Ich habe Giesel beobachtet, wie er an mehreren Kampfabenden mit seiner Kamera am Ring kauerte, immer auf der Suche nach neuen Blickwinkeln. Als erster Photograph montierte er seine Kamera zwischen die Scheinwerfer über der Ringmitte und erzielte, mit Fernauslöser, Bilder, wie man sie noch nie gesehen hat.“ – Lorenz Hafner

Der künstlerische Anspruch Giesels bestimmt seine Catcher-Bilder ganz wesentlich. Über seine insgesamt 22 Besuche der Schaukämpfe entstand die Dokumentation Gladiatoren. In einem silbernen Umschlag finden sich 18 Fotografien – selektiert aus den hunderten von Bildern, die Giesel von den Catchern schoss. Die Mappe erschien in einer Auflage von 100 und war für eine Schutzgebühr von 75 DM erwerbbar. Die ausgewählten Fotografien zeigen die Catcher im Studio posierend sowie im Kampfgeschehen im Ring. Im Fokus stehen die beeindruckende Körperlichkeit der Sportler, ihre Kraft und ihr voller Einsatz im Ring. Im Kontrast dazu zeigt Giesel allerdings ebenso die Verletzlichkeit der Catcher – in Momenten kurz vor dem K.O., wenn der Schiedsrichter eingreift, oder außerhalb des Rings in einem Stadium der puren Erschöpfung. Auch einträchtig in brüderlicher Umarmung hält Giesel die Sportler fest. In ihrer Gesamtheit lassen die schwarz-weiß Fotografien den sensiblen Blick des Fotografen auf die Selbstinszenierung der muskelbepackten Sportler erkennen.
Auch das Publikum faszinierte Giesel. Schreiende Hausfrauen, intensive Blicke, alle sind wie unter Strom. Vor allem die Frauen, die sich um den Ring in den Bann der männlichen Potenzdarstellung des Catch ziehen ließen, fielen Giesel auf und bewegten ihn, seine Kamera immer wieder auch in den Zuschauer*innen-Raum zu wenden. Diese Bilder trug er unter dem Titel Kontraste zusammen.

Ganz klare Parallelen lassen sich zu Giesels Tanz- und Theaterfotografien ziehen – auch hier montiert der Fotograf über der Bühne und auch hier zeigt er Bewegungen und Körperlichkeiten auf der Bühne in ihrer ganzen Intensität, die er in dynamischen Momentaufnahmen einfängt.

 

LW