Joachim Giesel, Homosexuelle (aus der Serie Der Mensch in der Gruppe), Langenhagen, 1976.
Eine Champagnerschale, italienische Designerstühle, eine lebensgroße Statue eines Dobermanns, ein Standaschenbecher und eine Glaskugelstehlampe – dies sind die Attribute der fünf Männer, die mit aufgeknöpften Hemden und perfekt sitzenden Frisuren selbstbewusst in die Kamera blicken. Gekonnt sind sie von Joachim Giesel vor dem Rollo eines Wohnzimmers in einer pyramidalen Komposition angeordnet. Der Mann in der Mitte hat den Fotografen gebeten, ihn und seine Freunde in seinem luxuriösen Bungalow in Langenhagen als Teil der Serie Der Mensch in der Gruppe aufzunehmen. In Giesels Serie finden sich vor allem Berufsgruppen, Freizeit- und Künstlergruppen. Doch die Fotografie mit dem Titel Homosexuelle unterscheidet sich, indem sie Menschen mit einer sexuellen Orientierung zeigt, die sich nicht wie ein Beruf oder Hobby frei wählen, ausüben und ablegen lässt. Rosa von Praunheim schreibt 1971 mit Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt Filmgeschichte. Er zeigt den ersten Kuss zwischen zwei Männern im deutschen Fernsehen und löst damit eine Welle der Empörung – und der schrittweisen Emanzipation und gesetzlichen Gleichstellung aus. Bis heute ist Homosexualität gleichwohl noch immer mit Diskriminierung und Stigmatisierung verbunden. Umso selbstbewusster erscheinen die Fünf, die sich inszenieren, wie sie sich selbst sehen und gesehen werden wollen. Ihre bewusste Darstellung und körperlichen Berührungen bezeugen ihre kollektive Identität und Solidarität in einer oft feindseligen Gesellschaft.
Rickie Lynne Giesel