Vorstädte

Joachim Giesel, VW-Käfer (aus der Dokumentation Vorstädte), Deutschland, 1979-1980.

Auf einem sonst völlig entleerten Parkplatz einer monotonen Wohnsiedlung hat Joachim Giesel einen VW-Käfer 1300 fotografiert. Es ist eine gestalterische Entscheidung, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Dokumentation der Vorstädte zieht. Indem Giesel eine strenge Zentralperspektive wählt, fluchten alle parallelen in die Tiefe verlaufenden Linien auf den einsamen Protagonisten in der Bildmitte zu. Der gezielte Einsatz von Licht und Schatten verstärkt die Inszenierung, während die Aufnahme auf Augenhöhe und aus frontaler Position eine ausgeglichene Bildatmosphäre schafft. „Ich versuchte, in meinen Bildern eine Ordnung zu schaffen, denn Ordnung ist für mich der Ausgangspunkt für das Bilderschaffen schlechthin! Ich vermied willkürliche Überschneidungen von Bild-Dominanten, suchte Kontraste, die das Licht bringen, bemühte mich, Akzente, optische Haltepunkte zu finden“, erklärt der Fotograf mit eigenen Worten. Mittels seiner einfachen, klar strukturierten Bildsprache möchte er den Betrachter⁎innen „Impulse zum Nachdenken und Nachfühlen vermitteln” und zugleich seine kritische Haltung zum Bildthema unterstreichen. Dies geschieht, indem er der eintönigen, trostlosen und wenig fotogenen Atmosphäre der Trabantenstädte durch formale Elemente besonderen Ausdruck verleiht. Durch seine sorgfältige Auswahl von Motiv, Bildausschnitt und Perspektive bis hin zur Nachbearbeitung des Himmels schafft Giesel über die klassische Dokumentation hinaus eine eigene, subjektive Interpretation der Realität.

Jule Lang