Stifterinnen und Stifter

Joachim Giesel, Porträt Axel Haverich (aus der Serie 100 Hannoversche Köpfe), Hannover, 2006.

Text zitiert aus: Bettina Zinter: Axel Haverich, in: Joachim Giesel, Anne Weber-Ploemacher und Tino Zeyen (Hg.): 100 Hannoversche Köpfe, Hameln, 2006, S. 76.

„Jan ist fit geht ihm gut. Er spielt bei Reflexa Rettenbach in Mittelfeld. Vor vier Jahren erhielt der heute 13jährige von Prof. Axel Haverich, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), eine kombinierte Herz-Lungen-Transplantation. Cordula Peters aus Flensburg freut sich jeden Tag, dass sie lebt. Sie wurde von Haverich 1994 doppellungentransplantiert. Sie kann wieder reiten, davor war sie an den Rollstuhl gefesselt.

Organtransplantationen haben den Weltruf der Medizinischen Hochschule Hannover begründet. Für Haverich, der seit 1996 die Klinik für Thorax, Herz- und Gefäßchirurgie leitet, sind Herz- und Lungenverpflanzungen längst unspektakulär. Er steht jeden Tag im OP. Trotzdem, ehe ein Organempfänger von ihm gerettet werden kann, muss anderswo ein Organspender sterben. Er kämpft für die Organspende und wirbt dafür immer wieder auf Veranstaltungen: „Noch nicht einmal ein Fünftel der Deutschen besitzt einen Organspendeausweis.“ Derzeit warten bundesweit fast 10.000 Patienten auf ein Organ. Zur Verfügung stehen nur halb so viele Organe, wie benötigt werden. Wenn seine Klinik bei Lungentransplantationen schon vier Jahre in Folge weltweit an der Spitze steht und er selbst als Pionier der isolierten Lungentransplantation gilt, so liegt ihm auch das Herz am Herzen.

Denn das Herz ist mehr als ein Organ. Es ist ein Symbol für die Liebe, das Leben. Es schlägt 100.000 mal am Tag. Haverich: „Deshalb unterscheide ich zwischen Alltags- und Sonntagsherz. Im Alltag ist das Herz für mich nur eine Pumpe, die es zu reparieren gilt.“ Am Sonntag oder im Urlaub hört er auf sein eigenes Herz. Dann schlägt es für die Familie, für Hannover 96, für das Wandern und Skilaufen im Harz und für große Bergtouren. Erst im letzten Jahr hat er mit seiner „Männertruppe“ den höchsten Berg im Kaukasus, den 5.642 Meter hohen Elbrus, bezwungen.

Siebenhundert schwerkranke Menschen brauchen in Deutschland ein Spenderherz. Ein neues und besonders leichtes Kunstherz, „HeartMate“, soll Patienten helfen, das Warten auf die Herztransplantation besser zu überstehen. Haverich hat 19 solcher Geräte implantiert. Und man gibt sich bei ihm die Klinke in die Hand, um in der MHH die neue Operationstechnik zu lernen. Doch er bleibt skeptisch. „Die Technik dieser Kunstherzen ist noch nicht ausgereift. Das ist keine Alternative zur Herztransplantation.“

Er setzt auf „Tissue Engineering“, auf menschliches Gewebe aus dem Bioreaktor. „Obwohl ich in erster Linie Arzt bin und in zweiter Forscher“, hat er mit den drei Millionen Mark, die er 1995 mit der Verleihung des Leibnizpreises erhielt, das Leibniz-Forschungszentrum für Biotechnologie und künstliche Organe gegründet. Mit einem Aufsehen erregenden Heilversuch konnte Haverich jetzt an die Öffentlichkeit gehen. Weltweit zum ersten Mal hatte er in Moldawien zwei Kindern im Labor entwickelte Bioherzklappen eingepflanzt. Beide hatten von Geburt an eine fehlerhafte Pulmonalklappe und eine daraus folgende Herzschwäche. Haverich konnte nach dreieinhalb Jahren Beobachtung verkünden, dass die Ersatzherzklappen mit den Kindern mitgewachsen sind. Moldawien hatte für diese Operation eine eigene Ethik-Kommission ins Leben gerufen, um sicherzugehen, dass die Kinder für Forschungszwecke nicht ausgenutzt wurden.

Haverich ist sich sicher, dass das neue Bioimplantat auch deutschen Kindern eine mehrfache Operation und lebenslange Medikamenteneinnahme ersparen kann. „Wir sind dabei, eine klinische Studie vorzubereiten, um Kinder hierzulande operieren zu können.“ Ebenso zeige die Herstellung von funktionsfähigem Herzmuskelgewebe oder Luftröhrenersatz aus körpereigenen Zellen ermutigende Fortschritte. 19 Ärzte aus seinem 35köpfigen Team kommen aus dem Ausland. „Wir sind auch eine starke Ausbildungsklinik“, sagt der Klinikleiter und betont, dass er sich für Hannover entschieden habe, da das akademische und wissenschaftliche Umfeld hier weitaus günstiger sei als zum Beispiel an der Uni in Kiel, wo er von 1993 bis 1996 Direktor der Abteilung Herz- und Gefäßchirurgie war. Trotzdem schaut er mit Wehmut auf ein Fax, das ihm seine alte Kieler Mannschaft schickte: „Chef, wir vermissen Sie!“ Hannover war auch sein Studienort, weil er dreimal abends in der Woche in Lemgo seine Handball-Mannschaft unterstützen wollte. Den Sport und das Studium unter einen Hut zu bringen, das bedurfte schon einer großen Zielstrebigkeit. Er hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Kein Wunder bei seinen Charakterzügen, die er selbst so beschreibt: „Neugierig, optimistisch, tolerant.“