Joachim Giesel, Dock-Arbeiter (aus der Serie Der Mensch in der Gruppe), Hamburg, 1978.
In der Gruppe der Handwerker in August Sanders Menschen des 20. Jahrhunderts trägt die zehnte Mappe den Titel Der Arbeiter – sein Leben und Wirken. Sie enthält Porträts, die der Fotograf einem bestimmten gesellschaftlichen Typus zugeordnet hat – darunter Kohlenträger, Maurergesellen, Handlanger, Straßenarbeiter, Bauernknechte, Arbeiterfamilien, Proletariermutter und Landproletarierkinder. An achter Stelle stehen die um 1929 fotografierten Scheuerleute. Scheuerleute, auch Dock-Arbeiter genannt, bezeichnen Hafenarbeiter, die beim Laden und Löschen der anlegenden Schiffe als Tagelöhner beschäftigt sind. Im Hamburger Hafen stellen sie Ende des 19. Jahrhunderts die größte Berufsgruppe dar. Mitte des 20. Jahrhunderts verändert sich das Berufsbild drastisch: Mit der Einführung standardisierter Container und automatisierter Kräne verlieren viele Männer, die einst jedes Frachtgut einzeln an Deck trugen, ihre Einnahmequelle. In der Gegenüberstellung von Giesels Dock-Arbeitern mit Sanders Scheuerleuten wird die Veränderung des Berufs augenfällig. Beide Fotografien wurden am Hamburger Hafen aufgenommen und sind ähnlich arrangiert. Sanders Scheuerleute tragen verschmutzte Hemden, eine Schirmmütze schützt sie vor Sonnenlicht, ihre Hände sind lässig in die Hosentaschen gesteckt. Zum Zeitpunkt von Giesels Fotografie hingegen existiert bereits Arbeitssicherheitsschutz: Die Männer tragen Stiefel mit Stahlkappen, Blaumänner und Helme, während sich hinter ihnen die modernen Kräne und Container des Seehafens erstrecken.
Rickie Lynne Giesel