Joachim Giesel, Schlachter (aus der Serie Der Mensch in der Gruppe), Hannover, 1972.
Seit den 1960er Jahren wird in Deutschland Massentierhaltung betrieben, die als „technisierte Tierhaltung in Großbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte“ definiert wird. An die Stelle der Metzger- beziehungsweise Fleischerhandwerker⁎innen, die meist noch selbst schlachteten, sind industrielle Schlachthäuser getreten, bei denen Tötung und Verarbeitung der Tiere größtenteils automatisiert abläuft. Mit einem solchen Produktionsablauf konfrontiert uns Giesels Fotografie, auf der vor den Fenstern einer Schlachthalle an einem Laufband ratternd die Schnürhaken laufen, an der die toten Tiere industriell verarbeitet werden. Im Vordergrund posieren fünf Männer in typischer Berufsbekleidung: Gummistiefel, Metzgerkittel, Schlachterschürze und Schiffchen auf dem Kopf. Drei von ihnen halten ein Ausbeinmesser in ihren Händen, der Fleischer ganz links trägt ein Wetzstahl. Die rechte Bildhälfte dominiert ein an den Hinterbeinen aufgehängtes Schlachtrind, dessen Größe erst im Vergleich mit dem Schlachter daneben deutlich wird. Die Fotografie vermittelt die harte körperliche und blutige Arbeit des Schlachters, die meist im Verborgenen stattfindet. Als Betrachter⁎innen stehen wir mit einem Mal selbst im Schlachthof, dessen Geruch und Geräusche uns mit aller Intensität entgegenschlagen. Giesel veranschaulicht nicht nur die kollektive Arbeit und Verantwortung der Männer im industriellen Prozess, sondern auch ihre Menschlichkeit in einem anonymen und mechanisierten Umfeld.
Rickie Lynne Giesel