Promis

Joachim Giesel, Porträt Herwig Guratzsch (aus der Serie Photo-Portraits aus Hannover), Hannover, 1990.

„Einstens, als es Sonntag wieder, Und Herr Lämpel brav und bieder, In der Kirche mit Gefühle Saß vor seinem Orgelspiele…“. So nimmt das Unheil im vierten Streich von Max und Moritz (1865) seinen Lauf. Eine große Reproduktion des Lehrer Lämpel aus Wilhelm Buschs Feder, ausgestellt in dem nach ihm benannten Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, nimmt den Hintergrund der Porträtfotografie ein. Vor ihr hat Giesel den Direktor Herwig Guratzsch positioniert, der im Sakko uns ernsten Blickes und mit verschränkten Armen anschaut. Seine verschattete Gesichtshälfte scheint gleichsam auf eine bewegte Vergangenheit zu verweisen. In Dresden geboren, studiert er Evangelische Theologie und Philosophie in Rostock, bevor er als politischer Gefangener für zweieinhalb Jahre inhaftiert wird. Ein Häftlingsfreikauf ermöglicht die Übersiedlung in die Bundesrepublik, wo er in München in Kunstgeschichte promoviert, bevor er 1978 das Wilhelm-Busch-Museum übernimmt. Nach der Wiedervereinigung zieht es ihn in die ehemalige DDR zurück – eine „Heimkehr mit gemischten Gefühlen“, so Guratzsch. Im Museum der bildenden Künste Leipzig steht er von 1993 bis 1999 als Direktor vor der Herausforderung, das Haus in die neuen historischen Gegebenheiten zu überführen. Dazu ebnet er den Weg für den Umzug vom Reichsgerichtsgebäude in den 2004 eröffneten Neubau in der Katharinenstraße. Bis zur Pension leitet er Schloss Gottorf in Schleswig. Ein Mann seines Fachs, der große Spuren in Ost und West hinterlassen hat.

Jonathan Fulda