Vom Rockstar Peter Maffay über den Schriftsteller Max Frisch bis hin zum Publizisten Rudolf Augstein, von der Schauspielerin Inge Meysel über den Showmaster Rudi Carrell bis hin zum Jazzmusiker Louis Armstrong – im Laufe seiner Karriere porträtiert Giesel eine Vielzahl prominenter deutscher und internationaler Persönlichkeiten. Als selbsternannter „Chronist der Zeit“ fotografiert er insbesondere Menschen, welche die politische, soziale, kulturelle, ökonomische und sportliche Entwicklung der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren prägen und im Rampenlicht der Öffentlichkeit, des medialen Interesses und der Werbung stehen. Giesels Heimatstadt Hannover ist, nicht zuletzt aufgrund ihrer ökonomischen Strahlkraft, Ausgangspunkt seiner Karriere als Promifotograf, in der er unzählige Kontakte knüpft. In seinen Bildbänden Photo-Portraits aus Hannover (1990) und 100 Hannoversche Köpfe (2006) präsentiert er Größen wie die Regisseurin Doris Dörrie, die Rockband Scorpions oder Dirk Roßmann, den Gründer der Drogeriemarktkette, welche durch ihr Wirken und Engagement das Ansehen der Stadt prägen. Darüber hinaus entstehen zahlreiche Einzelporträts, die Giesel nicht selten spontan aufnimmt, sowie Auftragsarbeiten, wie die 1992 entstandene Porträtserie für die Organisation Weißer Ring, welche sich für Opfer von Gewalttaten engagiert. Gleich in welchem Kontext die Porträts entstehen, Giesel betreibt vor dem Termin stets Recherchen über die Person, die vor seiner Kamera stehen wird. Zudem sucht er im Gespräch mit seinem Modell gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. Sein selbsterklärtes Anliegen als Fotograf, „dem Menschen den Menschen zu zeigen“, umzusetzen, gelingt ihm, indem er die Promis vor seiner Linse in ein für sie typisches Ambiente mit charakteristischen Attributen ihres Schaffens setzt – sei es der markante Hut von Inge Meysel oder die Pfeife von Max Frisch. Ein weiteres Merkmal von Giesels Porträts ist der direkte Blick der Porträtierten in die Kamera. Ein Blick auf Augenhöhe – sei es zwischen Fotografen und Modell beziehungsweise zwischen Modell und Betrachter*in. Giesels Herangehensweise bedient ein seit den 1960er Jahren steigendes Interesse der westdeutschen Bevölkerung an berühmten Persönlichkeiten. Seine Porträts bieten Möglichkeiten der Identifikation, indem sie „das Vertraute“ bei Prominenten vermeintlich wiedererkennbar machen. In einer Ära, die noch von traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs gezeichnet ist, sehnen sich die Menschen nach Unterhaltung und Idolen, die sie bewundern und denen sie nacheifern können. Das wachsende Interesse der Öffentlichkeit am Privatleben der Promis spiegelt sich zu dieser Zeit in der Verbreitung von Boulevardzeitungen und Illustrierten, wie BUNTE und Gala sowie in Fernsehshows wie Wetten, dass..? und Am laufenden Band wider. Heute eröffnen Giesels Porträts einen historischen Blick auf Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts und laden ein, generationsübergreifend neue Perspektiven auf deren Schaffen und ihre Bedeutung zu entwickeln.
Enya Elinor Felix / Zoe Jarmila Warmbrunn